Seite wird geladen ...

   

 Artsteckbriefe

Autoren  dieses Artsteckbriefes:  Johannes Gepp ,  Gernot Neuwirth

Myrmeleon formicarius  Linnaeus, 1767

Kurzinfo

Autor: Johannes Gepp

Der Ameisenlöwe ist Insekt des Jahres 2010. Ameisenlöwen sind Insektenlarven, der Ordnung "Netzflügler" (Neuroptera) zugehörend. Unser "Gewöhnlicher Ameisenlöwe" – mit wissenschaftlichem Namen als Myrmeleon formicarius Linnaeus, 1767 beschrieben – ist ein perfekter Fallensteller. Ihn direkt zu sehen ist schwer möglich, lebt er doch im Sand versteckt am Grund eines kreisrunden Trichters. Tagelang wartet er dort regungslos, bis eine Ameise über den Rand seiner Sandfalle rutscht. Dann schnappen seine gezähnten Kiefer in Bruchteilen von Sekunden zu und ziehen die zappelnde Beute in die Tiefe.
Der bizarr aussehende Räuber ist Inhaber mehrerer ökologischer Rekorde. Er kann monatelang hungern, erträgt Umgebungstemperaturen von über 50° C und schleudert kleine Steinchen mit dem Mehrfachen seines Körpergewichts.

Verbreitung und Lebensraum

Autor: Johannes Gepp

Die Familie der Myrmeleontidae, als Larven Ameisenlöwen und als Imagines Ameisenjungfern genannt, gehört zur Ordnung der Netzflügler (Neuroptera). Unter den mindestens 6000 weltweit vorkommenden Netzflüglerarten stellen die Ameisenlöwen mit nahezu 2000 Spezies die artenreichste Familie. Die Mehrzahl der Ameisenlöwen kommt in den trockenheißen Regionen der Erde vor.

In Mitteleuropa lebt die Art Myrmeleon formicarius vom Hügelland bis in Höhen von 1500 m und erreicht mit dem Klimawandel nunmehr nahezu 2000 m. Im weiteren Sinne gibt es in Mitteleuropa 17 Ameisenlöwenarten, wovon aus Deutschland, Österreich und der Schweiz lediglich 9 Arten bekannt sind und wovon nur 4 Trichter bauen. Die anderen Arten jagen - ohne Trichter zu bauen - im Oberflächensand oder Mulm verborgen nach Beute; sie alle zählen zu den gefährdeten Lebensraumspezialisten.

Hilfe zur Bestimmung

Autor: Johannes Gepp

Ameisenlöwen sind 3-17 mm lang, im Gesamteindruck etwa länglichoval, mit hellbrauner Grundfarbe mit dunkelbraunen Zeichnungen, Fleckungen und Beborstungen am Kopf, Körper und ebenso auf dem sehr großen, oval verbreiterten und eher flachen Hinterleib, auf dem zahlreiche Borsten auch in Büscheln angeordnet auffallen. Sie sind auch sehr oft mit den körnigen oder sandigen Partikeln des Umgebungssubstrats bedeckt, womit die ohnehin gute Tarnung verbessert wird. Neben dem dominierenden Abdomen fallen vor allem die sehr mächtigen zangenartigen Mundteile auf einem breiten, kräftigen Kopf auf. In der Tat handelt es sich um ein überraschend multifunktionales und charakteristisches Werkzeug, mit dem an ausgewählten Stellen im trockenen, oft sandigen Boden mehr oder weniger kreisrunde Fangtrichter errichtet werden.

Die Imagines der Ameisenlöwen werden Ameisenjungfern genannt. Das "Jahresinsekt 2010" trägt auch den deutschen Trivialnamen "Gemeine oder Gewöhnliche Ameisenjungfer". Es sind vierflügelige, im Vergleich zu den Ameisenlöwen überraschend große Insekten mit einem dunkelgrau wirkenden Kopf und einem langen dünnen Hinterleib. Oberflächlich betrachtet erscheinen sie libellenähnlich. Doch aufgrund der dachförmigen Flügelhaltung in Ruhestellung und den vergleichsweise langen und auffallenden Fühlern und durch ein gänzlich verschiedenes Flugverhalten mit einem weitaus geringeren Flugvermögen sind sie bei genauer Betrachtung mit Odonaten kaum zu verwechseln. Die Flügelspannweite beträgt 70-85 mm, die Körperlänge etwa 50 mm. Die Flügel sind reich geädert (netzartig) und weitgehend ungefleckt, wenn man vom obligaten Pterostigma am äußeren Vorderrand der Flügel absieht.

Ähnliche Arten

Autor: Johannes Gepp

Neben der Gewöhnlichen Ameisenjungfer Myrmeleon formicarius gibt es in Tallagen Mitteleuropas noch eine zweite häufige Trichter bauende Art, Euroleon nostras, die Geflecktflügelige Ameisenjungfer. In den Sanddünen der Meeresküsten Deutschlands, seltener im Binnenland Österreichs, findet man lokal die Sandtrichter der Dünen-Ameisenjungfer Myrmeleon bore. Die Mehrzahl der Ameisenlöwenarten baut keine Trichter!

Deutlich unterscheidbar ist die Larve von M. formicarius gegenüber E. nostras durch dunkle Flecken aus den 3. Beinpaaren unterseits. Die Ameisenjungfern des Gewöhnlichen Ameisenlöwen zeigen im Gegensatz zu anderen Arten Mitteleuropas keine dunkle Flügelzeichnung.

Beschreibung

Autor: Johannes Gepp

Ameisenlöwen sind die Larvenstadien der Ameisenjungfern. Die winzige Junglarve entschlüpft einem von Sand umhüllten Ei. Die 3 Larvenstadien sind ähnlich geformt und bauen Trichter mit 8 bis 80 mm Durchmesser. Nach fast 2 Jahre währender Fallenstellerei spinnt die erwachsene Larve im Sand einen kugelrunden Seidenkokon, dem im Sommer eine Ameisenjungfer mit libellenähnlichem Aussehen entschlüpft.

Ameisenjungfern flattern in unruhigem Flug vor allem des Nachts in trockenheißen Gebieten umher. Sie verzehren kleine Fluginsekten, sitzen tagsüber in der Vegetation und legen 1 bis 2 Dutzend Eier. Die Auswahl der wärmsten und trockensten Eiablageorte bestimmt auch das Vorkommen der wenig kletterfreudigen Larven. Der gewählte Trichterstandort soll regengeschützt, ausreichend sonnenbeschienen, sandig und - wenn erdig oder mulmig - rieselfreudig sein. Das Weibchen sucht mit Thermorezeptoren des Abends nach diesbezüglich geeignet warmen Flächen und prüft mit dem Hinterleib die Eiablagestelle. Bei Eignung gräbt das Weibchen mit dem Hinterleib eine kleine Grube, in der sie im Schnitt 8 Eier ablegt. Die abgelegten Eier verkleben mit der feinkörnigen Umgebung und sind daher kaum zu erkennen.

Größe

Autor: Johannes Gepp

3 bis 17 mm

Lebensweise

Autor: Johannes Gepp

Ameisenlöwen sind Bewohner von besonnten und trockenen Sonderstandorten. Zum Bau der Sandtrichter bedarf es eines Regenschutzes, kräftiger Sonneneinstrahlung und rieselfreudigen Sandes. Diese Faktorenkombination finden sie am ehesten an südseitigen Fels- und Hauswänden, unter Brücken, im Schutze großer Bäume oder unter überhängenden Baumwurzeln.

Seinen Sandtrichter baut der Ameisenlöwe, indem er sich rückwärts spiralförmig in den Sand bohrt. Mit den Mundwerkzeugen wirft er nachrieselnden Sand zur Seite - so lange, bis ein 2 bis 3 cm tiefer, kreisrunder Trichter mit einem Durchmesser von bis zu 8 cm entsteht.
Mitunter warten Ameisenlöwen tagelang, bis ein Beutetier in den Sandtrichter rutscht. Dann schnappen die Kiefer in Bruchteilen von Sekunden zu und ziehen die Beute in die Tiefe des Sandes. Gelingt es dem Opfer vorerst zu entkommen, so wird es mit Sand beworfen oder untergraben. Ameisen sind die Hauptbeute. Daneben fängt der Ameisenlöwe auch kleine Käfer, Raupen und Asseln oder Spinnen. Durch ein injiziertes Gift, gemischt mit Verdauungssäften, erlahmt die Beute sofort und wird nach mehrmaligem Wenden stundenlang ausgesaugt. Ihre leere Hülle wird über den Trichterrand geworfen.

Gefährdung und Schutz

Autor: Johannes Gepp

Der Gewöhnliche Ameisenlöwe ist in Österreich nicht gefährdet, die Nordische Ameisenjungfer hingegen schon. Die relativ große Art Acanthaclisis occitanica gilt überhaupt seit 90 Jahren als ausgestorben.

In den Artenschutzverordnungen der Bundesländer sind unterschiedliche Schutzkategorien für die diversen Ameisenlöwenarten Österreichs aufgelistet. In Oberösterreich ist der Gewöhnliche Ameisenlöwe geschützt, in der Steiermark beispielsweise hingegen die Pantherameisenjungfer und die Vierfleckige Ameisenjungfer.

Wissenswertes und Hinweise

Autor: Johannes Gepp

Charles R. Darwin beobachtete auf seiner berühmten Weltreise mit dem Forschungsschiff H.M.S. Beagle (1831-1835) in Australien Ameisenlöwen. Die verblüffende Übereinstimmung in der Fangtechnik (Errichtung der Fangtrichter), wie er sie bereits von europäischen Ameisenlöwen kannte, notierte er in sein Tagebuch mit dem bewunderungsträchtigen Hinweis, „darin eine Hand des Schöpfers“ zu erblicken. Dass er diese Anmerkung wohl ohne zu zögern in dieser aus heutiger Sicht befremdlichen naturtheologischen Betrachtung so formulierte, zeigt schlicht, wie damals allgemein gedacht und so auch vom jungen Forscher Darwin übernommen wurde (Voss, 2008).

Literaturhinweise

Autor: Johannes Gepp

GEPP J., 2010: Ameisenlöwen und Ameisenjungfern. – Die neue Brehm-Bücherei Nr. 589 (3. erweiterte und vollständig überarbeitete Auflage), info@westarp.de, ISBN: 3–89432–322–1; ca.170 pp.
GEPP J. & H. RAUSCH, 2009: Der Ameisenlöwe Myrmeleon formicarius Linnaeus, 1767 (Neuroptera: Myrmeleontidae) – Insekt des Jahres 2010 (Schirmherrschaft durch Bundesminister Dr. Johannes Hahn).- Beiträge zur Entomofaunistik 10 153-163.
WACHMANN E. & C. SAURE, 1997: Netzflügler, Schlamm- und Kamelhalsfliegen. Beobachtung, Lebensweise. – Naturbuch Verlag, Augsburg, ISBN 3894402229, 159 pp.
ASPÖCK H., ASPÖCK U. & H. HÖLZEL (H. RAUSCH), 1980: Die Neuropteren Europas. – 2 Bde (495 + 355 pp.), Goecke und Evers, Krefeld.
ASPÖCK U. & H. ASPÖCK, 2007: Verbliebene Vielfalt vergangener Blüte. Zur Evolution, Phylogenie und Biodiversität der Neuropterida (Insecta: Endopterygota). – Denisia 20: 451-516.

und weiters:

Aspöck, H. (Wiss. Red.) 1999: Kamelhälse, Schlammfliegen, Ameisenlöwen … (Neuroptera: Raphidioptera, Megaloptera, Neuroptera) . – Stapfia 60: 244 pp.
Aspöck, H., Hölzel, H., Aspöck, U. 2001: Kommentierter Katalog der Neuropterida (Insecta: Raphidioptera, Megaloptera, Neuroptera) der Westpaläarktis. – Denisia 20: 606 pp.
Aspöck, U., Aspöck, H. 1999: Kamelhälse, Schlammfliegen, Ameisenlöwen. Wer sind sie? (Insecta: Neuropterida: Raphidioptera, Megaloptera, Neuroptera). – Stapfia 60: 1-34.
Gepp, J., Hölzel, H. 1996: Ameisenlöwen und Ameisenjungfern. – Die neue Brehm-Bücherei Nr. 589 (2. Aufl.), Westarp Wissenschaftsverlagsges: 108 pp., 127 Abb.
Hölzel, H., Aspöck, H., Aspöck, U. 1980: Catalogus Faunae Austriae, Teil XVII, Neuropteroidea. – Verlag Österr. Akad. Wissenschaften, 26 pp.
Oswald, J. D. (chief editor): Lacewing Digital Library: http://lacewing.tamu.edu/. Accessed on 14 September 2008.
Stange, L. A. 2004: A systematic catalog, bibliography and classification of the world antlions (Insecta: Neuroptera: Myrmeleontidae). – Memoirs of the American Entomological Institute 74: IV + 1-565.
Voss, J. 2008: Charles Darwin zur Einführung. – Junius Verlag GmbH: 215 pp.

Zu dieser Art

Trivialnamen

deu

Gemeine Ameisenjungfer