- regional z. T. stark gefährdet
- kommt an besonnten, warmen Standorten auf kalk- oder zumindest basenhaltigen, trockenen Böden vor
Die Falsche Rentierflechte bildet bei ungestörtem Wuchs auf offenen,
basenhaltigen Böden oder in lückigen Magerrasen große Polster von bis zu
zehn Zentimetern Höhe und mehreren Dezimetern Durchmesser. Von den
echten Rentierflechten (Cladoniasubgen. Cladina) ist
sie durch das Vorhandensein von zumindest einzelnen Phyllocladien
(„Blättchen“) im unteren Teil der Stämmchen zu unterscheiden. Nach der
Echten Rentierflechte (Cladonia rangiferina, 2009) und der Finger-Scharlachflechte (Cladonia digitata, 2020) ist sie die dritte Art der großen Gattung Cladonia, die von Naturschutzbund und der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e.V.zur „Flechte des Jahres“ gewählt wurde.
Aussehen
Die Falsche Rentierflechte bildet (wie
auch die echten Rentierflechten) bei ungestörtem Wuchs große grau- bis
grün-weißliche oder fast braune Polster von bis zu acht Zentimetern Höhe
und mehreren Dezimetern Durchmesser. Die hohlen Stämmchen (Podetien)
sind mehrfach verzweigt, die Zweige sparrig allseitig nach (schräg) oben
ausgerichtet. Blättchen (Phyllocladien) finden sich nur in geringer
Zahl vorwiegend im unteren Bereich der Stämmchen. Die Oberfläche der
Stämmchen ist grün gescheckt auf weißem Grund, vor allem die fast
dornigen Spitzen sind oft gebräunt. Becher werden keine ausgebildet, die
Achseln der Verzweigungen sind in der Regel geschlossen. An den Spitzen
der Stämmchen finden sich regelmäßig kleine braune Pycnidien, selten
sind dagegen in Mitteleuropa die deutlich größeren braunen Apothecien.
Verwechslungen sind möglich mit den echten Rentierflechten (Cladoniasubgen. Cladina),
die aber niemals Phyllocladien an den Stämmchen ausbilden,
nicht-berindete Stämmchen besitzen und deren Äste bei den meisten und
häufigeren der bei uns vorkommenden Arten nicht völlig allseitig
ausgerichtet sind. Weiter können die Gabel-Säulenflechte (Cladonia furcata) oder die Rentier-Säulenflechte (Cladonia subrangiformis)
Anlass zu Verwechslungen geben. Letztere sind aber meist brauner, nicht
so auffallend gescheckt und weniger verzweigt; im Zweifelsfall kann ein
Tüpfel-Test mit Kalilauge (K) bzw. para-Phenylendiamin (P) weiterhelfen: alle Chemotypen reagieren K+ gelb, der häufigere P‒; Cladonia fucatareagiert meist K‒ und P+ rot, Cladonia subrangiformisK+ gelb und P+ orangerot.
Ökologie
Cladonia rangiformiskommt an
besonnten, warmen Standorten auf kalk- oder zumindest basenhaltigen,
trockenen Böden, etwa über skelettreichen Kalkböden auf offenen
Felstriften oder in Küstendünen, vor. In den hier nicht zu dichten
Magerrasen konkurriert sie durchaus mit den Blütenpflanzen. Bei höherem
Nährstoffangebot kann sie sich gegen deren Konkurrenz nicht mehr
behaupten. In den Kalkgebirgen kann sie als Charakterart der Brometalia
gelten, während sie in den Sandgebieten und an den Küsten im
basenreichen Flügel der Corynephoretalia vorkommt. Im Gegensatz zu den
echten Rentierflechten meidet sie als xerotherme Art weitgehend die
Wälder.
Verbreitung und Gefährdung
Cladonia rangiformisist weltweit in den warm-gemäßigten und warmen Regionen beider
Hemisphären (mit wenigen Nachweisen auf der Südhalbkugel) verbreitet. In
Europa reicht ihr Verbreitungsgebiet von Kreta und Sizilien bis nach
Norwegen und Island; dort und am Ural erreicht sie gerade die Arktis,
dringt aber nicht weiter nach Norden vor. Sie kommt in Mitteleuropa von
der Küste bis in montane, höchstens subalpine Lagen vor.
Auch wenn die Falsche Rentierflechte regional noch ziemlich häufig
ist, leidet sie jedoch unter der allgemeinen Eutrophierung der
Landschaft und der Nutzungsauflassung bzw. Umwandlung von basenreichen
Magerrasen. Trittbelastung, auch zu starke Beweidung, verträgt sie wegen
ihres strauchigen Wuchses nur schlecht. Sie gilt daher in Deutschland
als gefährdet (3), in der Schweiz als national bedroht (EN) und in
Österreich bundesweit als ungefährdet, regional aber als stark gefährdet
(2).
Biologie
Cladonia rangiformisverbreitet
sich in Mitteleuropa nur ausnahmsweise und unter optimalen Bedingungen
durch Ascosporen, die in den braunen Apothecien an den Zweigenden
gebildet werden. Ansonsten ist die Flechte auf die Verbreitung durch
Bruchstücke ihrer Podetien angewiesen, die jedoch, sofern sie geeignete
Standortbedingungen finden, problemlos zu neuen Polstern heranwachsen.
Sie enthält als sekundäre Metaboliten (Inhaltsstoffe) Atranorin und
Rangiformsäure, dazu je nach Chemotyp Norrangiformsäure,
Fumarprotocerarsäure oder Psoromsäure.
Parasiten
Cladonia rangiformiswird von einer ganzen Reihe pilzlicher Parasiten befallen: Arthonia rangiformicola, Brackelia lunkei, Cladosporium licheniphilum, Didymocyrtis cladoniicola, D. foliaceiphila, Epicladonia sandstedei, E. simplex, E. stenospora, Epithamnolia longicladoniae, Lichenoconium pyxidatae, Merismatium heterophractum, Niesslia cladoniicola, Penttilamyces lichenicola, Roselliniella cladoniae, Talpapellis beschianaund Zyzygomyces bachmannii.
Während die meisten der genannten Arten in den dichten Polstern kaum
sichtbar werden, fällt die letztgenannte Art sofort durch die
bräunlichen Basidiomata auf, die die ansonsten mehr oder weniger gerade
aufwärts wachsenden Podetien der Wirtsflechte zu Verbiegungen zwingen.
Als Jugendparasit tritt zu dem Parasitenspektrum die Flechte Diploschistes muscorumhinzu.
Text von Wolfgang von Brackel und Martin Nebel. Weitere Informationen über Flechten bei der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e.V.
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