- gehört zur Familie der Dornfingerspinnen
- lebt vor allem in der Kraut- und Strauchschicht warmer, offener Lebensräume
Der Ammendornfinger, Cheiracanthium punctorium (Villers,
1789), gehört zur Familie der Dornfingerspinnen (Cheiracanthiidae).
Diese Spinnenfamilie zählt weltweit 363 Arten, von denen in Europa 35
bekannt sind. In der Gattung Cheiracanthium (Echte Dornfinger) gibt es in Deutschland 12, in Österreich 10 und in der Schweiz 7 Arten.
Verbreitung, Lebensraum und Gefährdung
Der
Ammendornfinger ist paläarktisch verbreitet, von Europa bis
Zentralasien. In Mitteleuropa bzw. Österreich ist die Art vornehmlich an
die planar-kolline Höhenstufe (bis 800m Seehöhe) gebunden, es gibt aber
auch Nachweise in höheren Lagen (bis zu 1000m). Cheiracanthium punctoriumlebt vor allem in der Kraut- und Strauchschicht warmer, offener
Lebensräume, kann aber auch an feuchten Stellen in wenig genutzten
Wiesen gefunden werden; in Österreich gilt die Art als nicht gefährdet,
in Deutschland steht sie in einigen Bundesländern auf der Roten Liste.
Beschreibung
Die Körperlänge von Cheiracanthium punctoriumbeträgt bei Weibchen 10 – 15 mm, die Männchen sind mit 7,5 – 12 mm
etwas kleiner. Der Vorderkörper ist grünlich-braun, kann mitunter aber
auch völlig orange-rötlich gefärbt sein. Die sehr kräftigen und langen
Chelizeren besitzen rote Grundglieder und die Klaue weist eine schwarze
Spitze auf. Der blass gelb-grünliche Hinterleib ist oft mit einem
dunklen Spießfleck versehen, der bis zur Mitte des Hinterleibs reichen,
jedoch auch gänzlich fehlen kann. Die gelblichen Beine weisen schwarze
Spitzen auf. Das erste Beinpaar ist verlängert, wodurch man
Dornfingerspinnen der Gattung Cheiracanthiumrecht gut von Sackspinnen der Gattung Clubionaunterscheiden kann, mit denen man sie auf den ersten Blick durchaus verwechseln könnte.
Lebensweise
Die vorwiegend nachtaktiven Tiere
bauen zum Beutefang keine Netze. Sie schleichen sich an ihre Beutetiere
heran und überwältigen sie mit einem Giftbiss. Der Ammendornfinger kann
aufgrund seiner Größe und der kräftigen Chelizeren auch große Insekten,
wie Heuschrecken oder Gottesanbeterinnen überwältigen. Die Tiere
verbringen den Tag über in kugeligen Ruhegespinsten, meist in krautiger
Vegetation, in Gestrüpp oder unter Steinen. Man findet sie vorwiegend in
ungenutzten Offenlandbiotopen vor allem im hohen Gras und in
Hochstauden; man kann sie aber gelegentlich auch an Waldlichtungen,
Ackerbrachen und Wiesen, sowie an Weg-, Grabenrändern und Bahndämmen
antreffen.
Im Hochsommer bauen die subadulten Weibchen auffällige, hühnereigroße
Brutgespinste, die mit Grashalmen, Blättern oder Stängeln verwoben
werden. Gleich daneben spinnen reife Männchen ihr Ruhegespinst und
sobald die Reifehäutung des Weibchens erfolgt ist, durchbricht das
Männchen die Wand zwischen den beiden Gespinsten und es kommt zur
Paarung. Dann erfolgt darin im August die Ablage von ca. 80-300 Eiern in
einen Kokon. In diesem Zeitraum werden die Gespinste vom Weibchen sehr
vehement/aggressiv verteidigt. Das Bild einer Amme, die sich schützend
vor die ihr anvertrauten Kinder stellt, mag einem in den Sinn kommen,
wenn man an eine solche Szene denkt, die dieser Spinne auch Ihren
deutschen Namen eingetragen hat. „Dornfinger“ selbst bezieht sich auf
einen langen, dünnen Dorn, den die Männchen an ihrem Taster tragen.
Die Jungspinnen schlüpfen 3-5 Wochen später aus dem Kokon, etwa im
Zeitraum von Mitte September bis Anfang Oktober, verlassen danach das
Gespinst und überwintern in selbstgebauten, bodennahen Gespinsten, die
einen ungefähren Durchmesser von etwa 5 mm aufweisen.
Erwachsene Ammendornfinger sind vor allem von Juni bis Oktober aktiv.
Giftwirkung
Der Ammendornfinger kann Menschen
tatsächlich beißen, das heißt, er kann mit seiner Chelizerenklaue die
Haut des Menschen durchdringen und dabei Gift injizieren. Die versteckte
Lebensweise des Ammendornfingers, meist weitab von menschlichen
Wohnungen, macht jedoch einen Biss beim Menschen relativ
unwahrscheinlich. Derartige seltene Zwischenfälle ereignen sich vor
allem dann, wenn man versucht, das Tier zu fangen oder es versehentlich
quetscht. Der Biss verursacht einen sofortigen stark brennenden Schmerz,
der sein Maximum nach 5-20 Minuten erreicht und für einige Stunden
anhalten kann. Die Schmerzintensität wird von Betroffenen meist mit
einem Wespenstich verglichen. Der Biss kann Symptome wie moderate lokale
Anschwellung, Rötung, Juckreiz, Übelkeit und leichtes Fieber auslösen.
Nekrotische Hautveränderungen werden nicht verursacht. Wie bei allen
Wunden kann sich diese allerdings entzünden und in weiterer der Folge zu
Schädigungen der betroffenen Hautregion führen. Bei Bedarf ist eine
symptomatische Therapie empfohlen.
Ähnliche Arten
Von seinen in Mitteleuropa
verwandten Arten kann man den Ammendornfinger recht gut aufgrund seiner
prominenten Färbung und seiner auffälligen Größe unterscheiden.
Verwechslungen können sich allenfalls mit ähnlich großen Arten aus der
Familie der Sackspinnen (Clubionidae) ergeben.
Warum wurde der Ammendornfinger zur Europäischen Spinne des Jahres gewählt?
Einerseits
gab es aus dieser Spinnenfamilie noch nie einen Vertreter als Spinne
des Jahres, andererseits wird diese Art relativ häufig in den Medien
genannt, weil sie auch mit Bissfällen in Verbindung gebracht und daher
als medizinisch relevant angesehen wird. Sehr oft sind es aber nur
Vermutungen; umso wichtiger ist es daher, entsprechende Fälle zu
dokumentieren und generell Fakten über diese Spinne aufzuzeigen, um
unbegründete Furcht zu vermeiden.
Mit der Wahl der Spinne des Jahres soll aber nicht nur eine „wenig
beliebte“ Tiergruppe ins rechte Licht gerückt und auf bedrohte
Lebensräume – in diesem Fall offene trockene Standorte wie Wiesen,
Weiden, Steppenrasen – hingewiesen werden, sondern gleichzeitig erhoffen
sich die Wissenschaftler, Daten zur aktuellen Verbreitung zu bekommen.
In diesem Sinne: erfreuen Sie sich an der Spinne des Jahres und helfen
Sie mit ihrer Fundmeldung oder ihrem Foto bei der Dokumentation dieser
Art.
Gewählt wurde die „Europäische Spinne des Jahres“ von 84 Arachnologen
aus 27 europäischen Ländern. Die Koordination der Wahl liegt beim
Naturhistorischen Museum Wien, in Zusammenarbeit mit der
Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) und der European Society of
Arachnology (ESA).
Text: Christoph Hörweg
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